VERLAG NEUWIESE

Zu den Germanen reiste einst Caesar von Gallien aus. Als er die Gallier fragte, wer auf der anderen Seite des Rheins wohne, sagten diese ihm, das seien ihre Brüder, lateinisch 'germani'. 

Cäsar setzte seinen Fuss aber nur kurz auf den Boden dieser Brüder, die eher Waffenbrüder als biologische Brüder waren. Daher sah er nicht viel  von Germanien, nur einen Wald, den Tacitus daraufhin den 'Caesischen'  nennt, das ist der, den wir heute Westerwald nennen. Das kann Tacitus nur ironisch gemeint haben.

Caesar hielt aber große Stücke auf die Germanen. Das kann man nachlesen in seinen Aufzeichnungen über den gallischen Krieg. Doch die Germanen zeigten sich nicht dankbar dafür,  sondern banden ihm eine Bären auf,  selbstverständlich um ihn davon abzubringen, auch noch die Germania zu begehren, nachdem er die Gallia bereits vernascht hatte, nicht zuletzt mit Hilfe der angeheuerten Germanen. Sie erzählten ihm, daß es in Germanien nur Wald gäbe, nichts was sich zu erobern lohne. Und weil sie gerade so schön am Spintisieren waren, erzählten sie ihm auch noch, daß ihre Elche keine Knie hätten. Um zu schlafen müßten sie sich an einen Baum lehnen, sie, die  schlauen Germanen, bräuchten nur die Bäume zu fällen und schon hätten sie den schönsten Grillbraten. Caesar -in seiner grenzenlosen Humorlosigkeit- nahm das alles für bare Münze. So auch seine Leser in Italien und in Deutschland. Nun, das mit den kniefreien Elchen wohl nicht jeder, aber das mit den Wäldern schon. Das aber war eine dreiste  Lüge. Die bösen bösen Germanen. Wie konnten diese den 'großen' Caesar nur so auf den Arm nehmen.  Nun gut, seien wir nicht so streng mit ihnen. Es war eine Schutzbehauptung, eine die Leben retten sollte.

Tatsächlich lebten die Gemanen nicht im Wald, sondern in den Gauen, den Siedlungsinseln zwischen den Wäldern, wie wir sie auch heute noch kennen, in Dörfern umgeben von ihren Feldern, auf denen sie Ackerbau und Viehzucht von leibeigenen Bauern betreiben ließen und ihren Weiden, auf denen sie ihre Pferde für den Krieg züchteten und trainierten.

Wie die Landschaften in der Germania zu verschiedenen Zeiten aussahen, auch zur Zeit des Caesar und des Varus, das ist nachzulesen in dem Buch 'Die Geschichte des Waldes' von Hans-Jörg Küster.

HJ Küster : Germanien war zur Zeit Caesars nicht von dichtem Urwald bedeckt.

Germanien war schon zur Zeit Caesars längst keine ungestörte Naturlandschaft mehr, sondern in großen Teilen eine Kulturlandschaft mit einer Infrastruktur, die geprägt war von der keltischen Besiedlung bis in die Hallstadt- und Latènezeit hinein und deren  germanischer Überbauung ab dem 1. Jahrhundert v.Chr., sowie der extensiven Landwirtschaft beider Kulturen verbunden mit einer Holz- und Viehwirtschaft, die mit einem großen Flächenbedarf an Äckern, Wiesen und Weiden und einer Nutzung der Wälder zur Gewinnung von Bauholz für Häuser und Wagen, von Holzkohle für die Eisenproduktion (Rennofen)  und zur Viehmast (Hutewald) verbunden war.    Die Germanen ernährten sich fast ausschließlich von Getreide,  vom Fleisch ihrer Haustiere und von Fisch, nicht so sehr von Wildtieren. Die extensive Landwirtschaft erforderte einen großen Flächenbedarf an Wiesen für die Heuproduktion zur Winterfütterung und an Weiden für Pferde und Rinder, Schafe und Ziegen.  Die Schweine  lebten nah bei den Menschen, sie wurden mit Essensresten gefüttert und im Herbst zur Mast in den Wald getrieben, sobald dort Eicheln und Bucheckern zu finden waren. Es ist völlig absurd zu glauben, die Germanen hätten im Wald gelebt.

Auch größere Siedlungen als Dörfer gab es damals schon in Germanien.  Zum Teil auch wohl noch bewohnte keltische Oppida, wie den Dünsberg bei Gießen oder Manchig bei Ingolstadt, die ja trotz ihres Machtverlustes noch gute Siedlungsflächen abgaben.

Der griechische Wissenschftler und Kartograph Claudius Ptolemäus verzeichnet in seiner Karte ''Magna Germania'', die er um 150 n.Chr. erstellt, 94 Orte in Germanien.

Orte in Germanien von der Germania Magna

Während Gallien in 3 Teile aufgeteilt werden konnte, wie Caesar feststellte, teilte Ptolemäus Germanien in 4 ''Klimata'' auf. Klima 1 das Gebiet zwischen Ems und Elbe, Klima 2: das Gebiet zwischen Elbe und Oder, Klima 3: das Gebiet südlich des Mains und Klima 4: Böhmen und Mähren.

Diese Karte hat allerdings auch viel Verwirrung geschaffen,wenn es um die Lokalisierung von bestimmten Orten ging,  da das verwendete Koordinatensystem nicht einfach auf das heutige übertragbar ist. Dies betraf z.B. den Ort, der nach Marbod benannt worden sein soll, Marobudum. Dieser Ort liegt auf der Ptolemäus-Karte in der gegend von Böhmen.  Nach neuen Berechnungen durch Mitarbeiter am Institut für Geodäsie und Geoinformationstechnik an der TU Berlin  die die Koordinaten des Ptolemäus mit modernen wissenschaftklichen Methoden überprüft haben, muß dieser Ort jedoch eher in der Gegend von Amberg in der Oberpfalz angesiedelt werden. Das Marbod-Reich in Böhmen entpuppt sich als Märchen. Es wird Zeit, daß der geschichtliche Marbod nach Süd-Deutschland zurückgeholt wird, dorthin wo er hingehört, nach Suebien. 

Solche Märchen gibt es reichlich in der deutschen Geschichtsschreibung. Es ist an der Zeit sie zu entzaubern.  Wo fangen wir an?

Die Varusschlacht im dichten Urwald

Das ist ein Märchen. Germanien war nicht mit dichtem Urwald bedeckt. Daher mußten die Legionen des Varus auch nicht über Baumwurzeln stolpern, wie es der römische Geschichtsschreiber Cassius Dio berichtet. Sein Bericht ist gänzlich unglaubwürdig. Wir halten uns da lieber an die Berichte des Tacitus und des Velleius Paterculus, die von einem Germanien berichten, in dem Menschen in Dörfern auf ihren Feldern leben, die durch Wege, Dämme und Brücken miteinander verbunden sind. Schließlich war Germanien schon  lange zuvor besiedelt worden. Die Kelten waren neben ihrer bäuerlichen Tätigkeit auch ausgewiesene Techniker, Handwerker, Künstler  und Händler,  zeitweise mit einem sehr hohen technischen und sogar naturwissenschaftlichen Entwicklungsstufe, wie die Himmeslscheibe von Nebra nachdrücklich beweist. Die Bronzezeit verlangte förmlich nach Handel, da  Kupfer und insbesondere Zinn nur an wenigen Stellen der Erde verfügbar war. Sie hatten ja schon die Steinhaufen für ihre Oppida hoch über den Feldern der Bauern aufgetürmt, in denen sie ihrem Handwerk nachgingenund ihren Fernhandel über ein dichtes Wegenetz abgewickelt, bevor sie mit den aus dem Norden eingewanderten Völkern nach und nach kulturell zu Germanen wurden und damit zunächst wieder zu einer reinen Bauern- und Kriegerkultur zurückkehrten

Die Wege im alten Germanien ergaben sich aus den topographischen Gegebenheiten und den großen und kleinen Verbindungslinien zwischen den Siedlungsgebieten in Wechselwirkung mit den Flüssen.  Zunächst einmal waren die Flüsse mit ihren Auen Siedlungsplätze. Denn ohne Wasser kein Ackerbau. Dann aber auch Transportwege. Der Fluss selbst als Transportband für die Kähne und die begleitenden Wege als Treidel-, Reit- und Fußwege.  Auch die reinen Landwege Germaniens lassen sich noch heute gut nachempfinden. Sie sind nach wie vor noch vorhanden, wenn auch vielfach überbaut und zu Straßen geworden. Da sind z.B. die Hellwege , die als West-Ost-Wege die Landver-bindungen zwischen dem Rhein und der Elbe herstellen.

Erst seit dem 19.Jahrhunderts sind außerhalb des Römischen Reiches Straßen mit unnatürlichem Verlauf in nennenswertem Ausmaß gebaut worden. Das sind die Straßen, die nicht dem natürlichen Geländeprofil folgen, sondern durch Eingriffe in das Geländeprofil begradigt ausgebaut wurden.

Die Wege waren also schon ausgetreten, als Varus mit 3 Legionen im Jahre 9 nach Germanien einmarschierte, um den Germanen die Segnungen der römischen Kultur schmackhaft zu machen. Velleius Paterculus berichtet uns, daß er den ganzen Sommer damit verbrachte, Gericht zu halten. De Germanen gefiel das gar nicht. Denn sie hatten eine andere Vorstellung davon was Recht und was Unrecht ist. Daher führten sie vor dem Gericht des Varus ein solches Theater auf, daß Velleius Paterculus zu dem Schluß kommt, die Germanen seien ein Volk von Schauspielern. Bis schließlich aus dem Theater Ernst wurde  und Varus sein Leben lassen mußte.

Wo ist der Ort, an dem das geschah? Wo ist der Ort der Varusschlacht? 

Die Spuren des Varus weisen uns den Weg:  Karte der möglichen Wege.

Was Varus nicht geschafft hatte, wollte ein anderer vollbringen. 6 Jahre nach der Varusschlacht brach Germanicus, der Adoptivsohn des Kaisers Tiberius, zum ersten Mal mit 8 Legionen auf, um das Gebiet zwischen Ems und Elbe endgültig zu erobern. Die Aufmarschwege beschreibt Tacitus sehr genau. 4 Legionen kamen auf dem Landweg von Haltern aus, 4 weitere Legionen über den Wasserweg der Nordsee und Ems mitten hinein nach Germanien, wo sich die beiden Heerhaufen am vereinbarten Punkt trafen. Diesen Punkt sehe ich in Bramsche an der Hase. Bei dem Aufeinandertreffen mit den Germanen unter Arminius holten sich die Römer blutige Nasen, was den Germanicus dazu veranlaßte, mit 4 Legionen unverzüglich Kehrt zu machen, sich wieder einzuschiffen und über die Ems  und die Nordsee zurück nach Köln zu türmen. Zurück ließ er seinen General Cäcina mit 4 Legionen, der zunächst seinen Rückzug decken sollte und dann zusehen wie er Land gewinnt. Auf dem Weg von Bohmte nach Bramsche geriet dieser in den Hinterhalt der Germanen bei Kalkriese, wo seine Legionen fast vollständig aufgerieben wurden. Diese 'Schlacht an den langen Brücken'  wird im Museum Kalkriese mit offizieller Genehmigung als Varusschlacht gefeiert.

Bei Tacitus wie auch bei Velleius und Florus findet die Varusschlacht in einem Lager statt, just an dem Tag, an dem Varus Hof hält 'als befände er sich auf einem römischen Forum'  und seinen Soldaten dienstfrei gegeben hat. Nur bei Cassius Dio irren die römischen Soldaten durch einen erfundenen germanischen Dschungel.

Karte zu den Aufmarsch- und Fluchtwegen des Germanicus.

Nach Rückkehr der zerzausten Legionen nach Köln, plant Germanicus einen zweiten Anlauf für das nächste Jahr. Diesmal will er alles besser machen und noch mehr Geld in das Unternehmen investieren. Alle 8 Legionen sollen übers Wasser kommen, damit die Soldaten frisch und nicht fußlahm inmitten Germaniens ankommen. Dafür läßt er 1000 Schiffe bauen. Diese bringen die Truppen übers Meer  hinein und versorgen sie laufend mit Nachschub. Das soll es bringen, bringt's aber auch nicht. In den Stauwiesen an der Weser scheitert sein Vormarsch am Widerstand der Germanen. Ihm bleibt nur der endgültige Rückzug aus Germanien.